Controverses rond de vroege Islam

Nieuws | de redactie
18 september 2008 | De Duitse godsdienstwetenschapper Muhammad Sven Kalisch heeft grote ruzie gekregen met de islamitische koepels. Zij stoppen per direct hun samenwerking met hem als lerarenopleider. Reden is dat hij wetenschappelijke vraagtekens zet bij de historische figuur van de profeet Mohammed.

In een interview met Der Spiegel geeft professor Michael Marx een analyse van de aard en inhoud van de discussie in wetenschappelijke kring –en binnen de moslimgemeenschap- over de betekenis en gevolgen die men aan deze ontwikkeling in het discours over de vroege Islam moet hechten.

SPIEGEL ONLINE: Herr Marx, als Student der Islamwissenschaft lernt man: Der Prophet Mohammed wurde um 570 nach Christus auf der Arabischen Halbinsel geboren und starb 632 in Medina. Gibt es Grund, daran zu zweifeln?

Michael Marx: Das sind Rahmendaten, an denen man festhalten sollte, bis es bessere Zahlen gibt. Es gibt reiches Material in den islamischen Quellen zur Figur des Propheten und seiner Lebensgeschichte. Einiges ist mystisch. Aber am harten Kern der islamischen Tradition kann man festhalten.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt eine Gruppe nicht unprominenter deutscher Islamwissenschaftler, die immer offensiver die Frage stellen, ob die Existenz des Propheten überhaupt historisch verbürgt ist. Zuletzt hat sich dem der Münsteraner Professor Muhammad Sven Kalisch angeschlossen, der künftige islamische Religionslehrer ausbilden soll. Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerium will jetzt einen zusätzlichen Professor für Islam-Pädagogik berufen und so die Wogen glätten. Sehen wir hier eine Spaltung in zwei Lager?

Marx: Das sehe ich nicht so. Aber wir sollten festhalten, dass wir von Kalisch im Moment nur mündliche Aussagen kennen. Sie klingen so, als habe er sich den Thesen von Professor Karl-Heinz Ohlig angeschlossen, die dieser in seinem Buch “Die dunklen Anfänge” vor drei Jahren veröffentlicht hat – und denen zufolge der Koran ein christlicher Text ist und Mohammed wahrscheinlich nie gelebt hat. Aber diese Gruppe, zu der noch der Numismatiker Volker Popp und andere zählen, ist sehr klein. Ich würde sagen, deren Positionen steht sogar außerhalb der Wissenschaft.

SPIEGEL ONLINE: Wieso das?

Marx: Es gibt viel zu viele Hinweise darauf, dass Ohligs These, der Prophet habe nie gelebt, nicht haltbar ist. In 14 Jahrhunderten christlich-islamischer Polemik wurde sie nie vertreten. Auch in syrisch-aramäischen Quellen gibt es hingegen Belege für den Propheten aus früher Zeit.

SPIEGEL ONLINE: Sie erforschen die Frühzeit des Islam und den Koran. Wie ist denn die Faktenlage? Wie könnte man beweisen, dass der Prophet gelebt hat?

Marx: Es gilt, vorsichtig zu sein. Für die Geschichte generell kann man keine naturwissenschaftlichen Beweise anführen. Wie wollen Sie die Existenz von Karl dem Großen beweisen? Wir können keine Experimente durchführen, wir müssen mit Evidenzen arbeiten. Und ein Evidenzstrang in dieser Frage ist der Koran. Hier ist die Evidenzlage so gut wie bei keiner anderen Religion. Wir kennen Koranhandschriften und islamische Inschriften schon ab 40 bis 50 Jahre nach dem Tode des Propheten. Der Koran wäre extrem erklärungsbedürftig, wenn man den Propheten rausrechnet. Ohlig behauptet, der Islam sei bis in die Ommajadenzeit, also bis ins 9. Jahrhundert, im Wesentlichen eine christliche Sekte gewesen. In dem Fall aber habe ich das massive Problem, dass der Text des Koran dazu nicht passt. Wieso ist dann die Christusfigur im Koran nicht zentraler? Abraham, Moses und Noah werden viel häufiger genannt.

SPIEGEL ONLINE: Und wie ist es mit der Form des Koran?

Marx: Das ist der zweite Evidenzstrang. Der Koran, das kann man auch linguistisch zeigen, ist eine Art Rede. Der Koran ist keine Erzählung wie das Neue Testament, keine Korrespondenz wie die Paulusbriefe, keine Apokalypse, kein Psalm. Dieses Genre macht nur Sinn, wenn ich eine Person habe, an der ich das festmache – einen charismatischen Sprecher, einen Propheten. Warum sollte eine Gemeinde, die keinen Propheten hat, sich in der Rückprojektion einen zulegen, und einen Text erfinden, der dann auch noch christlich ist, wie Ohlig meint? Ohligs These ist unökonomisch – sie schafft mehr Erklärungsbedarf, als sie löst.

SPIEGEL ONLINE: Mit anderen Worten: Wenn der Prophet nicht gelebt hat, muss es eine enorme Verschwörung gegeben haben, um das Schrifttum zu erklären.

Marx: Genau – und von dieser Verschwörung wären zudem keinerlei Spuren übrig geblieben, von Marokko bis Indien nicht. Wer soll das durchgesetzt haben? Wir haben seit der Mitte des 8. Jahrhunderts bereits kein zentrales islamisches Staatswesen mehr, das die Konstruktion des Propheten flächendeckend in Asien und Afrika hätte durchsetzen können.

SPIEGEL ONLINE: Sie sagen also, Ohlig und seine Mitstreiter sind entweder Demagogen oder Nicht-Wissenschaftler?

Marx: Ein solches Urteil steht mir nicht zu. Aber ich empfinde es so. Es ist ja legitim, Probleme zu diskutieren. Und der Koran hält viele offene Fragen bereit. Wir am Corpus Coranicum versuchen, erst einmal Grundlagenforschung zu treiben, bevor man mit Supertheorien kommt.

SPIEGEL ONLINE: Auch Muhammad Sven Kalisch operiert an einer Grenze – nämlich der zwischen Wissenschaft und Theologie. Denn er sollte eigentlich Religionslehrer ausbilden. Der Koordinationsrat der Muslime will das nicht mehr mittragen, weil Kalisch Grundlagen des islamischen Glaubens in Frage stelle. Ist es vorstellbar, dass man Muslim ist und zugleich sagt, der Prophet hat möglicherweise gar nicht gelebt?

Marx: Das ist kaum vorstellbar.

SPIEGEL ONLINE: Herr Kalisch ist zaiditischer Schiit, kein Sunnit. Gibt es dort ein anderes Mohammed-Bild, das seine Äußerungen erklären könnte?

Marx: Das ist mir zumindest nicht bekannt.

SPIEGEL ONLINE: Herr Kalischs Positionierung hat die Debatte in Deutschland erneut befeuert – und das wird auch in der arabischen Welt wahrgenommen. So hat die renommierte Berliner Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer in einem Interview gesagt, Kalischs Ansicht sei nicht isoliert.

Marx: Frau Krämer ist falsch beziehungsweise verkürzt wiedergegeben worden. Sie sagte zum Beispiel sehr wohl, dass die meisten Islamwissenschaftler an den überlieferten Rahmendaten festhalten, und zählt keineswegs zu jenen, die die Existenz des Propheten anzweifeln. Aber die ungenauen Zitate sind leider in vielen arabischen Zeitungen gebracht worden.

SPIEGEL ONLINE: Hat das Konsequenzen für jemanden wie Sie, der international zusammenarbeitet, auch mit islamischen Forschern?

Marx: So etwas hat durchaus zur Folge, dass westliche Islamforschung in Misskredit gebracht wird. In Zeiten des Internet verbreiten sich solche Gerüchte und Meldungen sehr schnell. Wir am Corpus Coranicum wollen damit nicht in Zusammenhang gebracht werden. Bei uns arbeiten Muslime wie Nichtmuslime zusammen, und wir kooperieren sehr vertrauensvoll mit Institutionen in der arabischen und islamischen Welt.

SPIEGEL ONLINE: Wieso ist die Mohammed-Forschung überhaupt so ein sensibles Thema? Schließlich ist der Prophet, anders als etwa Jesus im Christentum, nur ein vorbildlicher Mensch, den Gott zwar zur Übermittlung einer Botschaft auserwählt, aber nicht mit göttlichen Attributen versehen hat. Auch im Karikaturen-Streit hat sich diese Empfindlichkeit ja schon gezeigt.

Marx: Diese heftigen Reaktionen lassen sich wohl am besten dadurch erklären, dass viele Muslime das so empfinden, als würde der Konflikt zwischen dem Westen und der islamischen Welt, den sie ohnehin schon wahrnehmen, auch noch auf einer anderen Ebene ausgetragen. Das wird oft als Angriff auf die eigene Identität aufgefasst, als psychologische Kriegsführung.

SPIEGEL ONLINE: Könnte man die These, dass der Prophet Mohammed möglicherweise nie gelebt hat, an einer islamischen Hochschule vertreten?

Marx: Ich wüsste nicht wo.

SPIEGEL ONLINE: Wie gehen Sie als Forscher denn mit diesem Spannungsfeld um? Sie arbeiten ja durchaus mit einer kritisch-historischen Herangehensweise. So lange ihre Ergebnisse nicht im Widerspruch zur gängigen islamischen Mehrheitsmeinung haben, ist das kein Problem. Aber was, wenn doch?

Marx: Dann ist es möglicherweise ein Problem. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Vergessen Sie nicht: Wir arbeiten hier an Grundlagenforschung. Der Koran verdient es, ernsthaft wissenschaftlich erforscht zu werden. Mir liegt viel daran, dass wir diese Schritte zusammen mit Muslimen gehen. Das tun wir in unserem Projekt an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Was die muslimische Community dann daraus an Impulsen gewinnt oder nicht, ob sie das in Europa zur Grundlage einer wie auch immer gearteten Reform macht – das ist allein ihre Angelegenheit. Viel mächtiger als die von uns gern überschätzte Macht der Philologie ist wahrscheinlich ohnehin das pragmatische Miteinanderleben.

Das Interview führte Yassin Musharbash


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