Na ‘Leuven’ weer Spengler?
Dabei laufen wir Gefahr, die Chancen der Reformen aus dem Blick zu verlieren. Denn die Umstellung der Studienabschlüsse auf Bachelor und Master sollte die Lehre und die Studierenden wieder in das Zentrum der Universitäten rücken: Nicht mehr der Aufwand der Lehrenden bemisst den Umfang eines Studiums, sondern die Arbeitsbelastung der Studierenden. Konkrete Lernziele definieren das Studium, nicht die Vorlieben der Professoren. Das ist der entscheidende Perspektivwechsel, und der sollte der Treiber des Bologna-Prozesses sein.
Die Bundesbildungsministerin sollte in der von ihr initiierten Bologna-Konferenz diese Kernbotschaften wieder ins Bewusstsein rücken. Und die Studierenden sollten diese Gelegenheit nutzen, sich von denen zu distanzieren, die mit Bologna-Mythen zurückwollen in eine Zeit, in der Studierende häufig nur als Belastung empfunden wurden.
Die Bologna-Mythen sind vielfältig: Dazu gehört die angeblich mangelnde Akzeptanz des Bachelor am Arbeitsmarkt. Umfragen sagen das Gegenteil: Wie schon vier Jahre zuvor bewertete auch 2008 die große Mehrzahl der Arbeitgeber die neuen Abschlüsse positiv. In Fächern mit traditionell hohen Studienabbrecher-Quoten wie beispielsweise den Sozialwissenschaften sind diese nicht etwa gestiegen, sondern gesunken. Und wenn die Studierendenstreiks den Anschein erwecken, die Unzufriedenheit mit den neuen Abschlüssen sei gewachsen, dann stürzen die Studierendenurteile aus dem CHE-Hochschulranking auch diesen Mythos.
Sicher: Es gibt Probleme, über die geredet werden muss. So wurde in der Studienreform teilweise die Form über den Inhalt gestellt. Ein schlechter Studiengang, den man von acht in sechs Semester presst, wird davon nicht besser. Es gibt aber auch viele gute Beispiele attraktiver Studienangebote. Also: Die zweite, inhaltlich getriebene Bologna-Reformstufe zünden, die Entwicklung an den Arbeitsmärkten sorgfältig im Auge behalten und mehr “machen” und Verantwortung übernehmen statt schlechtreden. Denn niemandem ist gedient, wenn es den Beharrungskräften gelingt, die Bologna-Reform gegen die Wand fahren lassen.’
Jörg Dräger, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE)
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