Benedictus XVI mengt zich in evolutiedebat
“Auf die Erklärungsfähigkeit des Glaubens allein für das Ganze würde ich nicht setzen. Ich glaube, daß beides zusammengehört: Auf der einen Seite gibt es die Rationalität der Materie, die ein Fenster auf den Creator Spiritus öffnet. Dies sollten wir nicht fallenlassen. Es ist der biblische Schöpfungsglaube, der uns den Weg zu einer Zivilisation der Vernunft gezeigt hat, in deren Möglichkeiten es natürlich auch steht, sich selbst wieder zu vernichten.
Das ist die eine Dimension, die bleiben muß, die ich auch eine Berührungsdimension zwischen dem Griechischen und dem Biblischen nenne, die beide mit einem inneren Recht und einer inneren Notwendigkeit verschmelzen mußten. Doch wir müssen andererseits auch die Grenzen sehen. Natürlich gibt es die Rationalität in der Natur, aber sie gestattet uns nicht, eine totale Einsicht in den Plan Gottes zu gewinnen.
Es bleiben also die Kontingenz und das Rätsel des Schrecklichen in der Natur, wie es etwa Reinhold Schneider nach einem Besuch im Naturkundlichen Museum in Wien darstellt. (Auch ich habe dieses Museum einmal mit meinem Bruder besucht, und wir waren bestürzt über so viel Schreckliches in der Natur.) Unbeschadet der Rationalität, die es gibt, können wir eine Komponente des Schreckens feststellen, die nicht mehr philosophisch auflösbar ist. Hier ruft die Philosophie nach mehr, und der Glaube zeigt uns den Logos, der die schöpferische Vernunft ist und der unglaublicherweise zugleich Fleisch werden, sterben und auferstehen konnte.
Damit zeigt sich ein ganz anderes Gesicht des Logos, als wir es aus einer Rekonstruktion der Gründe für die Natur erahnen und ertasten können. Auch die beiden Seiten der griechischen Seele deuten darauf hin: einerseits die große Philosophie, andererseits die Tragödie, die letztlich ohne Antwort bleibt.”
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